Nöttinger Geschichte

Nöttingen liegt im oberen Pfinztal und ist heute der drittgrößte Ortsteil der Gemeinde Remchingen im westlichen Enzkreis. Von der Geländestruktur wird der Ort noch dem Kraichgau zugeordnet, grenzt als südlichster Ortsteil von Remchingen aber schon an die Ausläufer des nördlichen Schwarzwaldes. Der mit 286 m über Meereshöhe höchste Punkt von Remchingen liegt am Südrand der Nöttinger Gemarkung im Oberwald bei den "Saupfützen". 

Die Hügellandschaft der Gegend ist abwechslungsreich strukturiert. Wald, Wiesen und fruchtbares Ackerland stehen in einem ausgewogenenen Verhältnis zueinander. Die landwirtschaftlich genutzten Flächenanteile sowie die östlichen Waldgebiete wurden allerdings in den vergangenen Jahrzehnten durch die Ausweitung der Siedlungs- und Gewerbefläche sowie den Ausbau der  Autobahntrasse A8 (2009 – 2015) reduziert.

Die Besiedelung des Pfinztals reicht viel weiter zurück als die Geschichte des Dorfes Nöttingen. Einzelfunde aus der Keltenzeit belegen die zumindest zeitweilige Anwesenheit dieser Volksgruppe während der Eisenzeit. Der Flussname Pfinz ist keltischen Ursprungs und bedeutet „träge fließendes Wasser“.

Zahlreiche Funde zeugen von Nöttingens Geschichte

Römisches Weihrelief, Fundort Nöttingen; (c) Badisches Landesmuseum KarlsruheReich ist die Ausbeute von Funden an Münzen und Steinreliefs auf dem Nöttinger Gebiet aus der römischen Besatzungszeit. Im Landesmuseum in Karlsruhe befindet sich ein Weiherelief aus rotem Sandstein. Dieses stellt Merkur (röm. Gott des Handels) und Rosmerta (keltische Göttin der Fruchtbarkeit) dar. Dort ist auch ein weiterer Fund aus Nöttingen ausgestellt: ein 1,90 m hoher quadratischer Meilenstein aus dem Jahr 222 n. Chr. Er gibt die Entfernung von „Aurelia Aquensis“ (Baden-Baden) mit 17 Leugen (= 37 km) an. Aufgrund dieser Funde und der Lage der Nöttinger Kirche vermuten Historiker, dass beim Kirchturm ein römischer Stützpunkt mit guter Sicht zum Ranntal gewesen sein könnte. In dieser Richtung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Gemeindesteinbruch (bei der Jagdhütte, Richtung große Eiche, inzwischen aufgefüllt) ein weiteres Steinrelief gefunden, das Merkur und Juno zeigt.

Besiedlung durch die Alemannen

Um 260 n. Chr. durchbrachen die aus dem Elbegebiet kommenden Alemannen den römischen Schutzwall „Limes“ und fassten in der hiesigen Gegend Fuß. Die hier zahlreichen auf „-ingen“ endenden Ortsnamen bedeuten Siedlungen alemannischen Ursprungs. Für Nöttingen wird vermutet, dass es eine Ansiedlung „der Angehörigen des Natto oder Netto“ war. Ein genaues zeitliches Datum für die Gründung der Ansiedlung lässt sich wie bei den meisten Orten, die schon im ersten Jahrtausend n. Chr. entstanden sind, nicht angeben. Die Zahl der schriftlichen Dokumente aus jener Zeit ist dafür zu gering. Quellen aus dem frühen Mittelalter sind in der Hauptsache Schriftstücke aus den Archiven der damals existierenden Klöster. Eine erste Nennung von Nöttingen findet sich in einer Schenkungsurkunde: Schenkung des Bischofs Not(h)ing (Bischof in Verona, Italien, zu Beginn des 9. Jahrhunderts) an das Inselkloster Reichenau, bestehend aus Grundstücken in Hirsau, Nettingen, Singen, Dietenhausen, Ellmendingen und Eisingen. Laut Remchinger Ortschronik ist die Urkunde in die Jahre 827/830 zu datieren.

Das Dorf im Mittelalter

Nöttinger WappenDie nächste schriftliche Nennung Nöttingens findet sich erst wieder 1170. In der aus dieser Zeit datierten Urkunde werden Rechtsverhältnisse des Klosters Herrenalb gegenüber den Pfarrsprengeln Nöttingen und Ellmendingen beschrieben. Die Dorfgeschichte des Mittelalters ist durch häufigen Wechsel der Gebietsherren gekennzeichnet. Unter ihnen ragen besonders heraus die Grafen von Calw, das Kloster Herrenalb und zuletzt die Markgrafen von Baden. Zeitweilig waren auch die Herren von Remchingen mit Teilen von Nöttingen und Darmsbach belehnt. Erstmals 1225 traten die Herren von Roßwag in dieser Geschichte auf. Sie waren Lehensherren über Nöttingen und andere Dörfer der Umgebung. Seit 1895 führt Nöttingen das Wappen der Roßwags als Gemeindewappen, jedoch mit geänderten Farben.

Die ersten schriftlich nachgewiesenen Nöttinger werden in einer Urkunde von 1259 genannt. Danach erhielt „ein getreuer Diener der Herren von Remchingen“ Namens Wernher für sich und seine beiden Töchter Mathilde und Agnes vom Kloster Herrenalb Güter zu Nöttingen als Erblehen.

Im kirchlichen Bereich bildete Nöttingen im Mittelalter eine bedeutende Pfarrei. 1272 war es Sitz eines Dekanats. Ein Steinrelief, das beim Umbau der Dorfkirche in den Jahren 1971/72 gefunden wurde, stammt Experten zufolge aus den Jahren 950 bis 1.000 n. Chr. und gilt somit als Beleg, dass hier schon vor der Jahrtausendwende eine Kirche stand. Es zeigt Symbole aus den Evangelien. Noch heute schmückt dieses Steinrelief die nördliche Kirchenwand den Gottesdienstraum. Die ältesten erhaltenen Bauteile sind der östliche Chorturm in die Sakristei an dessen Nordseite. Der Türbogen sowie die Fensterleibungen aus Sandstein weisen die Jahreszahl 1609 auf. Auch die Eichentüre mit kunstvollen Eisenbeschlägen ist erhalten. 

Im 16. Jahrhundert war das Dorf fast vollständig im Besitz der badischen Markgrafen. Markgraf Karl II. führte 1556 in seinem Gebiet und damit auch in Nöttingen die Reformation ein.

Krieg und Wiederaufbau

Im Dreißigjährigen Krieg waren wie in der ganzen Gegend große Verluste an Menschen und Gebäuden zu beklagen. Erhalten geblieben sind aus der Zeit davor nur der ältere Teil der Kirche und drei Kellergewölbe in der Murrgasse und am Striesterweg.

Neues großes Unheil brachte der „Orleansche Krieg“ mit dem Einfall der Franzosen (1688 – 1692) und kurz danach der „Spanische Erbfolgekrieg“ (1701 – 1714). Durch diese kriegerischen Ereignisse gingen durch Brände nicht nur ein Vielzahl von Gebäuden, sondern auch alle schriftlichen Dokumente aus der Zeit vor 1696 verloren. An diese Zerstörungen schloss sich im 18. Jahrhundert eine lange Wiederaufbauphase an, bei der zahlreiche Fachwerkhäuser neu errichtet wurden, teilweise auf den nach den Brandschatzungen übrig gebliebenen Gewölbekellern. Die an den Häusern angebrachten Handwerkersymbole und Inschriften sind wertvolle Zeugen dieser Zeit.

In dieser Wiederaufbauzeit erhielt 1757 das Dorf auch sein erstes Rathaus im Ortsmittelpunkt, am „Plänlein“ genannten Zentrum (im Nöttinger Dialekt „Bleele“). Es war bis 1924 in Benutzung. In diesem Jahr kaufte die Gemeinde das Gebäude des bis dahin bestehenden Gasthauses „Zur Linde“, heute Karlsbader Straße 45 (späteres Volksbank-Gebäude). Hier war die örtliche Verwaltung untergebracht, bis 1967 ein Rathausneubau in der Frauenwaldstraße zum letzten Sitz der Nöttinger Ortsverwaltung wurde.

Bertha-Benz-Grundschule in Nöttingen; (c) Gemeinde Remchingen; Felix Buderer

Die napoleonischen Kriege brachten erneut einen Stillstand der Entwicklung. Nöttingen hatte das Glück in dieser Zeit mit Georg Martin Armbruster einen tüchtigen Bürgermeister (1804 – 1839) zu haben, der nach dem Urteil seiner Zeitgenossen Außerordentliches geleistet hat. Zuletzt war er Abgeordneter der Badischen Ständekammer.

Krönung der stetigen Weiterentwicklung im 19. Jahrhundert war 1900 der Schulhausneubau, heute das Hauptgebäude der Bertha-Benz-Grundschule. Die Zeit um diese Jahrhundertwende hat der damalige Ortspfarrer Adam Spengler 1895 in einer ersten Ortsgeschichte beschrieben. Bei seiner Darstellung der aktuellen Lebensverhältnisse ging er auch auf die Auswirkungen der aufkommenden Industrialisierung ein.

Nöttingen ab dem 20. Jahrhundert

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dominierte noch die Landwirtschaft. Beginnend nach dem Ersten Weltkrieg verdiente sich aber ein immer größer werdender Anteil der Bevölkerung seinen Lebensunterhalt in der Industrie, vornehmlich in Pforzheim. Im Jahr 1935 erfolgte die Eingemeindung von Darmsbach. Eng verbunden waren die beiden Orte schon immer durch gemeinsame Kirche, Schule, Friedhof, Standesamt und Grundbuchamt.

Hohen Blutzoll forderten die beiden Weltkriege in Nöttingen und Darmsbach. Auf dem Ehrenmal vor der Kirche sind 48 Opfer des Ersten und 82 Opfer des Zweiten Weltkrieges verzeichnet.

Die beiden Nöttinger Nachkriegsbürgermeister Gustav Frey und Hermann Kindler verfolgten in der Dorfentwicklung vorrangig zwei Ziele. Zum einen ging es um die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Ansiedlung neuer Betriebe. Der Erfolg waren mehr als 500 Arbeitsplätze am Ort schon in den 1960er Jahren. Das zweite Ziel war eine „vertretbare“ Erhöhung der Einwohnerzahl zu erreichen, um die Existenz gewisser Einrichtungen am Ort wie z.B. der Schule sicherzustellen. Mit der Erschließung von mehr als 600 Bauplätzen in Nöttingen und Darmsbach ist auch dieses Vorhaben weitgehend gelungen. Die Vorkriegs-Einwohnerzahl 858 in den beiden Orten erreichte 1964 den Wert 1.500 und bereits 1973 den Wert 2.000 Menschen. In den fast 50 Jahren seit der Fusion der Gesamtgemeinde Remchingen stieg die Einwohnerzahl der beiden Orte inzwischen auf über 3.000.

Feuerwehrhaus Nöttingen im Jahr 2005; (c) Gemeinde RemchingenWichtige Infrastrukturmaßnahmen waren der Bau des Feuerwehrhauses 1953 und die Einrichtung einer Buslinie nach Pforzheim (ab 1955). Neben Wohnungen im Obergeschoss diente das Gebäude der Unterbringung der Ausrüstung der örtlichen Feuerwehr und brachte Garagenplätze für die Linienbusse. Die bis dahin nicht vorhandene Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz war ein Nachteil für die Entwicklung des Ortes: In Verkennung der damit verbundenen Zukunftschancen hatte sich die Gemeinde gegen die Linienführung der Eisenbahn von Karlsruhe nach Pforzheim bei deren Bau in den Jahren 1858/59 gewehrt.

Umstritten war Anfang der 1970er Jahre die Gemeindereform. Die große Mehrheit der Nöttinger (und Darmsbacher) Einwohner war für den Erhalt der Selbständigkeit. Trotzdem kam es dem Willen der Landesregierung folgend 1975 zur Eingemeindung nach Remchingen, das zwei Jahre zuvor aus den Gemeinden Singen und Wilferdingen entstanden war.

Roland Kröner